Die um 1920 erstellten ersten Wohnblöcke Frühlingstrasse 9/11 waren nicht mehr zeitgemäß und so entschloss man sich 1978 diese zunächst von Mietern freizumachen, abzureißen und an deren Stelle statt bisher 10 nun 13 Wohnungen mit 808 qm Wohnraum behindertengerecht mit Auffahrtsrampe, bei einem Kostenaufwand von 1,2 Mio DM zu erstellen.
Auch der Mangel an großen Wohnungen mit 100 qm Wohnfläche für Familien mit mehr Kindern erbrachte 1984 den Entschluss für der Durchführung einer Ersatzmaßnahme an Stelle des bisherigen Wohnblocks Frühlingstr. 20.
Das 75-jährige Bestandsjubiläum beging man ohne großen Aufwand und errichtete im gleichen Jahr einen Wohnblock mit 16 familiengerechten Wohneinheiten an der Wiffertshauser Str. 38 ½ und 38 1/3 bei einem Baukostenaufwand von 3,3 Mio DM. Ganz im Gedanken genossenschaftlicher Selbsthilfe erfolgte die Finanzierung neben vorhandenem Grundstück, Eigenkapital und Bankdarlehen durch zur Verfügung Stellung von Mieterdarlehen in nicht unbeträchtlicher Höhe.
Der Wohnungsbestand kommt in die Jahre. Nach einer strategischen Bewertung des gesamten Wohnungsbestandes wurde ein Sanierungs- und Neubauprogramm entwickelt, welches ein strategisches Vorgehen festlegt und das Handeln von Vorstand und Aufssichtsrat in den letzten Jahren maßgeblich bestimmt hat. Die höherwertigen Wohnungen der 20er und 30er Jahre sowie die Wohnblöcke der 1950er und 1960er Jahre wurden energetischen Generalsanierungen und Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen unterzogen. Für die unbebauten Liegenschaften der Genossenschaft welche von den Gründervätern Ende der 1920er Jahre erworben wurden wurde in Zusammenarbeit mit den Verantwortungsträgern bei der Stadt Friedberg ein Neubaukonzept entwickelt, welches in den kommenden Jahren in mehreren Bauabschnitten zur Umsetzung gelangen soll. Als erster Baustein dieser Neubaukonzeption wurde im Jahre 2003 ein Wohnblock mit 11 Wohneinheiten an der Geistbeckstrasse 8 errichtet.
Die Baugenossenschaft Friedberg eG verfügt heute über einen Wohnungsbestand von 205 eigenen Wohnungen. Neben der laufenden Bewirtschaftung des eigenen Wohnungsbestandes bilden die Wohnungseigentumsverwaltung wie z. B. die der Eigentümergemeinschaften am ehemaligen TSV-Spotplatz, sowie die Verwaltung privater Bestände (z. B. der Sozialstation Friedberg) zwischenzeitlich ein weiteres wesentliches Standbein der Genossenschaft.
Im Frühjahr 2008 konnten die neuen ansprechenden Verwaltungsräume an der Wiffertshauser Str. bezogen werden. Eingebetten in das Wohnkonzept "Betreutes Wohnen Fichtepark" wurden helle barrierefrei gestaltete Büroräume geschaffen, die für alle Mieter und Kunden der Baugenossenschaft Friedberg auf kurzem Wege erreichbar sind. Bei dieser Gelegenheit stellt sich berechtigterweise die Frage: Wo waren in der 90-jährigen Geschichte der Genossenschaft eigentlich in früheren Jahrzehnten die Geschäftslokale?
Nun, die Recherchen in den alten Protokollbüchern und Gespräche mit Zeitzeugen belegen, dass die ersten Geschäftslokale tatsächlich nur Lokale waren. Nach den vorliegenden Unterlagen sind in den ersten rund zehn Jahren des Bestehens der Gemeinschaft regelmäßige Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat in nahezu sämtlichen Friedberger Gaststätten dokumentiert. Da ist z.B. genannt der Gasthof zur Glocke, Steidle, die Gastwirtschaft zum Hohen Glas, Kain, Pult, Lenk, Appel, Zieglerbräu, Michl, Dreher, Gaststätte zur Linde bis hin zu Fuchsbergers Weinstube. Aber auch Sitzungen in der Wohnung des Gründungsvorstandes Alois Sperrer und vielfache Besprechungen an Ort und Stelle des Baugeländes sind dokumentiert. Offensichtlich konnten gewisse Geschäfte auch direkt im Kaufhaus von Vorstand Alois Sperrer am Marienplatz (heutiges Gebäude Rübsamen) erledigt werden, was ein Aufruf aus dem Friedberger Gemeindeboten aus dem Jahre 1921 verdeutlicht:
"...Man kann sagen, durch den Bau der Genossenschaftshäuser in Friedberg wurde der hiesigen Wohnungsnot schon etwas gesteuert, sie muss sich aber ganz beheben. Zu diesem Zwecke müssen neue Häuser gebaut werden. Dies kann aber nur der Fall sein, wenn Alles dazu beiträgt. Es ergeht an Alle der Ruf: Traget bei zum Wohle der Allgemeinheit! Tritt ein als Mitglied in die Baugenossenschaft Friedberg e.G.m.b.H, erwirb Die einen Anteil zu 300,-- Mark, den Du sogar in Raten bezahlen kannst. Du hast der Wohnungsnot gesteuert, hast Dir ein Anrecht auf eine Wohnung erworben und Dein Geld gut verzinslich und sicher angelegt. Und gehörst Du vielleicht zu den Glücklichen, die über ein eigenes Heim verfügen und auf eine Wohnung in der Genossenschaft nicht warten musst, so werde dennoch Mitglied der Baugenossenschaft Friedberg. Du hast damit der großen Wohnungsnot steuern geholfen. Auskünfte über Aufnahme in die Genossenschaft erteilt der Vorstand Herr Kaufmann Alois Sperrer in Friedberg, woselbst auch die Beitrittserklärung erfolgen können..."
Für die Zeit von 1931 bis 1933 ist in den Protokollbüchern ein Geschäftszimmer in einem der bis dahin errichteten Genossenschaftshäuser dokumentiert, dessen Lage aber nicht genau fest gemacht werden kann, welches aber 1933 mit Blick auf die Wohnungsnot zu Gunsten der Errichtung einer Zweizimmerwohnung wieder aufgelöst wurde, da die Stadt die Zusage gab, für Sitzungen Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Von 1933 bis 1946 war Apotheker Carl Muther Vorstandsvorsitzender der Baugenossenschaft Friedberg eG. In dieser Zeit sind Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat im Sitzungssaal des Rathauses, im Bürgermeisterzimmer, vor allem aber im Jourzimmer der Marienapotheke dokumentiert. Gleichwohl hat im Jahr 1933 Paul Rappolder sen. das Amt des Kassiers in der Genossenschaft übernommen und von von seiner Schwiegertocher Zita Rappolder sowie von Herrn Rathgeb ist überliefert, dass Vorstand Rappolder sen. in seiner Wohnung im Dachgeschoss des Hauses Frühlingsstraße 22 ein höchst einfach eingerichtetes Kanzleizimmer unterhielt, indem man am Ersten des Monats die Miete in Bar einzahlte und den übernommenen Genossenschaftsanteil von 300,-- Reichsmark mühsam abstotterte. Die Miete für eine rund 90 qm große Wohnung lag damals bei 31,-- RM. Die 300.-- Reichsmark Genossenschaftsanteil wurden in monatlichen Raten zu 5,-- RM aufgebracht.
Ab 1946 sind Sitzungen und Kassenprüfungen in der Wohnung des "Genossen" Rappolder sen. dokumentiert. Nach dem Tod von Paul Rappolder hat dessen Sohn Alfons Rappolder die Geschäfte der Genossenschaft übernommen. Zunächst noch in seiner Wohnung Frühlingsstraße 22, später gegen Ende der 1960er Jahre wurde der Milchladen von Frau Rothörl in der Frühlingsstraße 18 und die dazugehörige Wohnung übernommen und nach und nach zu einem Büro umgebaut. Die Ausstattung war jedoch nach wie vor sehr schlicht und hat im Wesentlichen aus ausgedienten Möbeln der Sparkasse Friedberg bestanden, die anlässlich des Neubaus des Sparkassengebäudes ausgemustert worden waren. Insgesamt gesehen war es eine immer sehr einfach und sparsame Geschäftsführung. Nun, die Zeiten ändern sich und wenn man heute über diese einfachen Zuständer vergangener Jahrzehnte schmunzelt, darf man nicht vergessen, dass die Altvorderen mit ihrem umsichtigen Handeln den Grundstein dafür gelegt haben, dass wir uns heute diese schönen neuen Geschäftsräume leisten können.
Es würde zu weit führen, all derer zu gedenken, die sich in den 90 Jahren unserer Baugenossenschaft um unser Haus verdient gemacht haben. Erinnert sei aber neben dem bereits erwähnten Gründungsvorstand Alois Sperrer und dessen langjährigem Nachfolger Paul Rappolder an folgende verstorbene Persönlichkeiten:
Alfons Rappolder, der nach dem Tode seines Vaters Vorstand von 1958 bis zu seinem Tod 1981 die Geschäfte der Genossenschaft führte
An Alois Förster, Vorstand von 1981 bis 1994 - der am 06. März 2009 im Alter von 87 Jahren von uns gegangen ist
An Herrn Oberamtsmann a.D. Georg Kerle - ein unermüdlicher Streiter für die Belange des sozialen Wohnens. Von 1952 bis 1971 Vorsitzender des Aufsichtsrates, der am 15. Mai 2009 im Alter von 86 Jahren nach langer schwerer Krankheit verstorben ist und dem wir in seiner Zeit als Stadtarchivar eine akribische Aufarbeitung unserer Chronik verdanken.
Von links: Alfons Rappolder, Alois Förster, Georg Kerle
Abschließend ist festzustellen, die Baugenossenschaft Friedberg, die älteste Sozialsiedlung der Stadt Friedberg und das älteste Wohnungsunternehmen im Landkreis Aichach-Friedberg, hat über Jahrzehnte hinweg Hunderte von Friedberger Bürgerinnen und Bürgern eine Heimat gegeben und menschenwürdige Wohnungen zu sozial verträglichen Bedingungen zur Verfügung gestellt. Es bleibt der Genossenschaft zu wünschen, dass sie in gleich gesunder Weise wie bisher auf ihr 100-jähriges Bestehen zugehen kann zum Wohle ihrer Mitglieder und Mieter.
Lassen Sie mich mit einem Zitat aus dem kleinen Prinzen von Antoine de Saint Exuperie schließen:
"Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen, denn Zukunft kann man bauen"
Friedberg, im Juni 2009
Günther Riebel, Vorstand