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pic1Lassen Sie uns dazu zunächst die Wohnsituation der Arbeiter im vorletzten Jahrhundert betrachten: Anfang des 19. Jahrhunderts begann die Industrialisierung die Gesellschaft in West- und Mitteleuropa radikal zu verändern. Rationalisierte Produktionsabläufe wurden eingeführt, Maschinen und technische Neuerungen erlaubten eine Produktivität, mit der das traditionelle Handwerk nicht mehr konkurrieren konnte. Die neuen Industriezentren benötigten immer mehr Arbeiter. Moderne Produktionsweisen veränderten auch die Arbeit auf dem Land. Tausende Arbeitskräfte wurden hier freigesetzt, die nun Arbeit in den Städten suchten.

Gleichzeitig kam es zu einer enormen Bevölkerungsexplosion. Durch höhere hygienische Standards und eine bessere medizinische Versorgung sank die Kindersterblichkeit und die Lebenserwartung erhöhte sich merklich. In den wenigen Jahrzehnten zwischen 1875 und 1910 stieg die  Bevölkerungszahl in Deutschland von rund 40 auf 65 Millionen Menschen.

Trotz des hohen Bedarfs seitens der neuen Industrie gab es ein Überangebot an Arbeitskräften. Durch Arbeitslosigkeit und schlechte Arbeitsbedingungen, geringe Löhne und fehlende soziale Absicherung bei Krankheit und Alter entstand eine neue Unterschicht. Und permanent strömten neue Menschen auf der Suche nach Arbeit in die Industriezentren der Städte. So auch in den bayerischen Metropolen München Augsburg und Nürnberg.  Der Wohnungsmarkt konnte den Ansturm bei weitem nicht auffangen. Die Wohnsituation in den Städten wurde immer schwieriger. Sie war ohnehin desolat gewesen und nun im Laufe dieser Entwicklungen wurde sie katastrophal.

pic2Das Wohnungsangebot zum Ende des 19 Jahrhunderts rekrutierte sich in den Städten übrigens vorwiegend aus sogenannten Terraingesellschaften in Form der Aktiengesellschaften und vermögenden Privatleuten die mangels vorhandener staatlicher Absicherung sogenannten Rentenhäuser unterhielten. Für beide Anbietergruppen war es jedoch rentabler, große Wohnungen für Beamte und Wohlhabende zu bauen. Kleinwohnungen für Arbeiter rentierten sich nicht in dem Maße, da zu viel Fläche für Treppenhäuser und Allgemeinflächen benötigt wurde. Zudem scheute man den Verwaltungsaufwand und das Mietausfallrisiko.

Die „Minderbemittelten“, wie damals die sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten genannt wurden, zogen in die engen Gassen der Altstädte. Zugige Dachböden und feuchte, dunkle Keller wurden als Wohnraum genutzt. In welchen Verhältnissen die Menschen damals lebten, verdeutlicht die Definition von Überbelegung zur Jahrhundertwende. Eine Wohnung galt als überbelegt, wenn sie mit mehr als fünf Personen pro beheizbarem Raum bewohnt war. Dennoch waren in vielen deutschen Städten mehr als 20 Prozent der Wohnungen überbelegt.

Um die Mieten aus den geringen Arbeiterlöhnen überhaupt finanzieren zu können, wurden die Räume der beengten Wohnungen oft zusätzlich untervermietet, oder es wurden Betten an sogenannte Schlafgänger vergeben. Einen Schlafplatz teilten sich dann mehrere Personen im Schichtbetrieb, so dass in argen Fällen bis zu 30 Personen in einer Wohnung  hausten.

Räumliche Enge und schlechte hygienische Bedingungen waren der beste Nährboden für die Entstehung und die schnelle Verbreitung von Krankheiten wie Tuberkolose und Cholera. Hierüber waren sich die Wissenschaftler Robert Koch und Max von Pettenkofer einig und forderten unter dem Motto „Mehr Licht und Luft“ eine Verbesserung der Wohnverhältnisse der Arbeiter.

Zwar war die Wohnungsmisere bekannt, die Betroffenen waren allerdings kaum in städtischen und staatlichen Gremien vertreten und die Verwaltungen kümmerten sich nur sehr zögerlich um eine Verbesserung der Wohnsituation. Zu lange vertraute man auf die Selbstregulierungskräfte der Märkte. Doch im Verlauf des 19. Jahrhunderts setzte ein Umdenken ein, denn das Elend war schließlich deutlich sichtbar. Die „sittliche und wirtschaftliche Hebung der arbeitenden Klasse“ wurde ein gesellschaftliches Ziel und die Wohnungsmisere zu einem der wichtigsten Aspekte der sozialen Frage und so entstanden seit Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Wohnungsgenossenschaften. Die Idee der Genossenschaft kam aus Großbritannien. Dort schlossen sich in Folge der Industrialisierung die unter den Veränderungen leidenden Menschen zusammen. So sollten die Risiken des wirtschaftlichen Handelns auf mehrere Schultern verteilt werden.

Nach den Grundsätzen von Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung wurden auch in Deutschland erste Genossenschaften gegründet. Eng verbunden mit der Genossenschaftsbewegung sind hierbei die Namen Ferdinand Lassalle, Hermann Schulze-Delitzsch , Friedrich Wilhelm Raiffeisen und   Viktor Aime´ Huber, welcher die genossenschaftliche Idee auf das Problem der Wohnungssuchenden aus den einfacheren Bevölkerungsschichten anwandte. Im Jahre 1871 wurde die erste bayerische Baugenossenschaft in München gegründet.

Der Staat betrachtete die Baugenossenschaften anfangs mit Skepsis. Als die Regierung aber erkannte, dass die Genossenschaften einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der sozialen Probleme leisten konnten, begann der Staat, das Genossenschaftswesen zu fördern und erließ im Jahre 1889 das bis heute gültige Genossenschaftsgesetz. Einen herben Rückschlag erlebte die Wohnungsfrage mit Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 und der Wohnungsneubau kam nahezu vollständig zum erliegen und nach Kriegsende 1918 war wie bereits vorhergesehen die Wohnungsnot erneut eklatant.

Hunderttausende Soldaten kehrten aus dem Krieg zurück. Zahllose Menschen flüchten aus dem jetzt französischen Elsass-Lothringen und aus den an Polen abzutretenden Ostgebieten in das Deutsche Reich, andere kehrten aus den ehemals deutschen Kolonien zurück oder verliessen die von den Alliierten besetzten Gebiete. Tausende aufgeschobene Eheschließungen wurden nun nachgeholt und führten zum Wunsch nach Haushalts- und Familiengründungen. Der Staat versuchte die angespannte Situation zu entschärfen und legte mit einer Verordnung vom 29. April 1919 das gesamte Vermietungs- und Vermittlungsgeschäft  mit der so genannten Zwangsbewirtschaftung in die Hand der Gemeinden. Doch allein diese waren mit der gegebenen Situation heillos überfordert und die genossenschaftliche Idee erlebte einen regelrechten Boom, so dass allein in Bayern im Jahr 1919 150 neue Baugenossenschaften gegründet wurden, und in diese  so typische Gründungswelle fällt auch die Gründung der Baugenossenschaft Friedberg eG.

Weiter mit den Jahren 1919 bis 1920

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