Sofort nach Fertigstellung dieser Baumaßnahme ging man an die Planung weiterer Wohnblöcke. Aber auch die Neubeschaffung von Baugrund wurde damals schon ins Auge gefasst. Jahr für Jahr kamen nun fünf bzw. sechs neue Wohnungen hinzu:
- 1921 Frühlingstrasse 13 mit 300 qm Gesamtwohnfläche
- 1922 Frühlingstrasse 14 mit 311 qm Gesamtwohnfläche
- 1923 Frühlingstrasse 15 mit ebenfalls 311 qm
- 1932 Frühlingstrasse 16 mit 477 qm
- 1925 Frühlingstrasse 17 mit 320 qm
- 1926/27 Frühlingstrasse 20 mit 320 qm
- 1927 Frühlingstrasse 22 mit 316 qm
- 1928 zwei Wohnblöcke Frühlingstrasse 18 und 19 mit insgesamt 727 qm Wohnfläche.
Vom Kirchturm aus sieht man 1926 die nahezu vollständig errichtete Wohnsiedlung an der Frühlingsstraße
Zu diesem Zeitpunkt wohnten in der Baugenossenschaft 263 Personen. Der 1924 fertig gestellte Wohnblock Frühlingstrasse 16, das so genannte Beamtenhaus, wurde vorwiegend mit Darlehen des Staates und der Stadt Friedberg für deren Bedienstete errichtet. Man soll nicht außer Acht lassen, dass gerade während der Zeit der Inflation um 1923 es eine enorme Leistung war, solche Vorhaben mit wöchentlich beschleunigten Preiserhöhungen durchzuziehen. So musste auch beispielsweise die Höhe des Geschäftsanteils auf zeitweise 20.000,-- Inflationsmark angehoben werden. Auch die Mietpreise der Ersthäuser wurden um bis zu 70 % gesteigert.
Dann musste das Unternehmen einen herben Verlust hinnehmen. Der „Motor der Friedberger Baugenossenschaftsbewegung, der 2. Bürgermeister und Vorsitzender des Vorstandes Textilkaufmann Alois Sperrer verstarb plötzlich und unerwartet am 10. Januar 1929 im Alter von nur 46 Jahren. Ihm verdankt die gemeinnützige Genossenschaft die ihre kontinuierliche Aufwärtsentwicklung. Er selbst konnte das 10-jährige Bestehen seiner Genossenschaft leider nicht mehr erleben. Ihm zu Ehren wurde aus diesem Anlass im gleichen Jahr am westlichen Beginn der Frühlingstrasse eine Erinnerungstafel verbunden mit einem kleinen Gedenkbrunnen errechtet. Auch die Stadt Friedberg ehrte diesen uneigennützigen Bürger, indem sie 1945 eine Strasse nach ihm benannte.
Durch den laufenden Verbrauch des Baulandes an der Frühlingstrasse drängte sich sehr bald die Notwendigkeit auf, neues Bauland zu erwerben. So wurde im Jahre 1929 das Baugelände an der Wiffertshauser Str. erworben und 1931 bis 1935 mit drei weiteren Baukörpern mit je 5 Wohnungen an der Ecke Wiffertshauser/Ekherstrasse bebaut. Nach einer kurzen Verschnaufpause kamen von 1936 bis 1939 gegenüber dem Spotplatzgelände an der Wiffertshauser Str. vier Wohnblöde nach gleicher Art mit je 5 Wohnungen zusätzlich einer Mansardewohnung hinzu. Bis dahin hatte das Unternehmen immerhin schon 17 Wohnhäuser mit 86 Wohnungen bei 5.369 qm Wohnfläche aufzuweisen.
Das Ganze wurde getragen von der Arbeit vieler ehrenamtlicher Helfer und Förderer. Stellvertretend für Alle sei der seit 1921 tätige Paul Rappolder als Aufsichtsratsvorsitzender und vor allem auch als Geschäftsführer in einer 30-jährigen Tätigkeit erwähnt werden. Er war zuständig für alles, ob tropfender Wasserhahn oder nicht mehr funktionierende Sanitäranlage. Und bemühte sich außerhalb seiner beruflichen Betätigung für diese Beseitigungen und Erledigungen.
An unbeschwerte Kindertage erinnern auch die Aufzeichnungen unseres verstorbenen Freundes MdL a. D. Georg Fendt die er vor einigen Jahren für uns niedergeschrieben hat:
Freunde aus Jugendtagen: Vorstand a.D. Anton Rathgeb und MdL. a.D. Georg Fendt
“Mit meinen Eltern Martin und Klara Fendt wohnte ich von 1928 bis 1951 im Baugenossenschaftshaus Frühlingstrasse 20. Die Hausgemeinschaft mit fünf Familien, mit 14 Kindern und Jugendlichen war nicht immer reibungslos. Zum Beispiel war die Benutzung eines einzigen Wannenbades im Keller gelegentlich Grund für Reibereien. Alle wollten am Samstag die Gemeinschaftseinrichtung benutzen. Daß die sanitären Einrichtungen im Haus schon mit jeweils einem Plumpsklo je Wohnung ausgestattet waren, galt schon als vornehm. In einigen älteren Häusern der Genossenschaft gab es nur über das Treppenhaus außerhalb der Wohnung für immer zwei Familien eine sogenannte Toilette. Gelegentlich gab es Probleme bei diesen Bewohnern, wer wann durfte. Aber für uns Kinder war das Wohnviertel an der Frühlingstrasse gegenüber der Altstadt von Friedberg ein Eldorado an Spiel und Freizeitmöglichkeiten. Es gab in dieser Strasse keinen Autoverkehr. Nur der Milchwagen und das Bierauto, die bei Hausnummer 18 vorbeifuhren belasteten den Verkehr. Die Strasse gehörte uns Buben zum Fußballspielen. Ab und zu landete der Ball in einem der Hausgärten, deren Besitzer uns gehörig die Leviten lasen und gelegentlich auch Ohrfeigen verteilten. Ein für Friedberg besonderer Spielplatz war der Bahndamm. Am Weg standen Obstbäume von besonderer Qualität. Für uns Buben waren es Klettergerüste und Schaukelständer. Die Äpfel und Birnen sollten eigentlich für die Kinder vom Waisenhaus bestimmt sein. Die halbreifen Früchte worden aber schon vorzeitig von uns vertilgt, auch wenn das Obst fast ungenießbar war und Bauchschmerzen hervorrief. Die Lebensmittel für den täglichen Gebrauch bekam man bei Frau Rothörl, Frühlingstrasse 18 in ihrem Milchladen. Molkereiartikel, Brot und Semmeln waren genauso wie Flaschenbier erhältlich. Bei Baumüllers – Ecke Frühlingstrasse/Herzog-Wilhelm-Strasse war das Warenangebot etwas größer. Bei Kennerknecht an der Bahnbrücke und bei Kopfmüller in der Herzog-Wilhelm-Strasse konnte man auch Spezialitäten kaufen. Schön war unsere Kinderzeit in der Baugenossenschaft. All zu früh vergingen die Jahre und eine unheilige Zeit in unserm Land wurde überschattet von Krieg und Not.”
Der beginnende 2. Weltkrieg stoppte jegliche Bautätigkeit. Man hatte schon Mühe, Materialien und Handwerker für eine einigermaßene Instandhaltung herzubringen, geschweige denn mehr. 1945 – eine Parallele zu 1919 – die gleiche Not, dasselbe Elend, noch verstärkt durch den Flüchtlingsstrom und die zahlreiche Zuweisung von Heimatvertriebenen in der auf nunmehr rund 6.000 Einwohnern angewachsenen Kreisstadt.